Brauchst du Hilfe?
Hast du nach einem Einsatz Mühe in die Realität zurückzukehren oder wühlt dich ein Erlebnis zu sehr auf, dann spreche mit einem oder einer Peer deines Vertrauens. Alle Peers unterliegen der Schweigepflicht.
Die Kontaktdaten zu den Peers findest du in einem der Depots oder über den Zentralist der Alarmzentrale.
Peers werden situationsabhängig während oder nach einem belastenden Ereignis vom Einsatzleiter aufgeboten. Nach einem belastenden Einsatz gehen Peers proaktiv auf mögliche Betroffene zu. Betroffene können natürlich jeder Zeit ein Peer beanspruchen. Nach einem Gespräch mit einem Peer können Betroffene auch unsere Fachpersonen in Anspruch nehmen.
"Normale" Reaktionen nach einem belastenden Einsatz
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Körper | Gedanken | Gefühle | Verhalten |
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Die "normalen" Reaktionen können nach dem Ereignis erstmal zunehmen (siehe Darstellung), bevor sie dann Abklingen. Wann die Symptome nachlassen, ist von Person zu Person unterschiedlich. Jedoch können folgende Zeitpunkte Anhalt geben, wann man handeln sollte:
Reaktionen bis 4 Wochen nach Erlebnis: normal
Reaktionen ab 4 Wochen nach Erlebnis: weitergehende Hilfe holen (Bsp: Peer)
Reaktionen ab 8 Wochen nach Erlebnis: Fachperson zwingend
- Du leidest unter ständigen Alpträumen und Schlafstörungen.
- Du hast ungewollte, dich aufdrängende Erinnerungen.
- Du meidest Orte und Situationen, die dich an das Ereignis erinnern.
- Deine Arbeitsleistung lässt nach.
- Deine Beziehung leidet unter dem Erlebten.
- Du kannst mit niemandem darüber sprechen, obwohl du das Bedürfnis dazu hast.
- Die Reaktionen dauern länger als 4 Wochen.
Das können Betroffene für sich selbst tun
Verlange nach einem Einsatz ein Einsatzabschlussgespräch und/oder Defusing. Mit einem EAG oder Defusing kannst du dir ein vollständiges Bild des Einsatzes mit nach Hause nehmen. Warum ist der Einsatz so abgelaufen, wie er abgelaufen ist? Dadurch kommst du weniger ins Grübeln und das Kopfkino bleibt eher aus.
Mit dem Abschlussgespräch kannst die eigenen Reaktionen, die dein Körper auslöst oder deine Gedanken besser verstehen und bist weniger gestresst oder überfordert.
Bei einem Defusing kannst du deine Gefühle benennen und daher auch besser verarbeiten.
Achtung: Das Einsatzabschlussgespräch oder Defusing ist keine Garantie, dass nicht doch Reaktionen auftreten oder keinen klaren Gedanken gefasst werden kann.
- Spreche mit vertrauten Menschen über deine Erlebnisse.
- Nehme dir Zeit für Ruhe und Erholung.
- Ernähre dich möglichst gesund, meide Alkohol und andere Suchtmittel.
- Beschäftige dich mit Dingen, die dir schon vor dem Ereignis gutgetan haben, wenn belas-tende Bilder oder deine innere Anspannung zu quälend werden.
- Nehme dir Zeit für die Verarbeitung. Setze dich nicht unter Druck, möglichst schnell „normal" zu funktionieren.
- Nehme die angebotene Hilfe deines Umfeldes an.
- Versuche, sobald wie möglich zu deinem gewohnten Alltag zurückzukehren. Strukturiere deinen Tagesablauf.
- Nimm die gewohnten, alltäglichen Tätigkeiten und Hobbys wieder auf, auch wenn dein Interesse nicht mehr so stark ist, wie vor dem Ereignis.
Je tiefer dein Stresslelevel vor dem Einsatz ist, desto resistenter bist du gegen posttraumatische Folgen.
- Achte auf Anzeichen deines Körpers z.B. Erschöpfungsgefühle
- Erstelle eine Prioritätenliste für deine Bedürfnisse
- Nimm dir die Zeit, die du für dich brauchst
- Treibe Sport und ernähre dich gesund
- Vermeide Alkohol und andere Suchtmittel
- Genügend schlaf wirkt Wunder
Vor dem Einsatz:
- Bin ich psychisch und physisch einsatzfähig?
- Kenne und pflege dein Einsatzmaterial
- Kann ich fachlich diese Aufgabe lösen? (Gute Ausbildung gibt Sicherheit)
- Was erwartet mich?
Während dem Einsatz:
- Einsatzbezogene Ausrüstung
- Lasse dich frühzeitig ablösen
- Geh auf die Toilette, trink genügend
- Sprich über das Erlebte mit deinen Kameradinnen/ Kammeraden
Nach dem Einsatz:
- Nimm an Einsatznachbesprechung teil, fordere ein Einsatzabschlussgespräch und Defusing, wenn dich der Einsatz belastet
- Gib dir Zeit das Geschehene zu verarbeiten
- Suche einen Peer deines Vertrauens
- Verbringe Zeit mit der betroffenen Person, biete Hilfe und ein offenes Ohr an, auch wenn du nicht um Unterstützung gebeten wurdest.
- Höre zu, wenn die betroffene Person erzählen möchten. Manchmal tut es gut, immer wieder über das belastende Ereignis sprechen zu können.
- Hilf mit, die ersten Tage gut zu strukturieren, um wenig Platz für Grübeleien und Gedanken zu lassen.
- Lasse der betroffenen Person Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten.
- Nach manchen Ereignissen ist es notwendig, verschiedene Dinge zu organisieren und zu erledigen. Eine praktische Unterstützung kann sehr entlastend wirken. Grundsätzlich ist es wichtig, dass du die betroffene Person dabei unterstützt, möglichst bald den gewohnten Tagesablauf wiederaufzunehmen und autonom zu handeln.
Nehme Wut und Aggressionen von betroffenen Personen nicht persönlich.
Weitere Informationen zur Psyche
Menschen, die ausserordentlichen Ereignissen ausgesetzt waren, reagieren oft mit körperlichen Reaktionen. Klares Denken oder die Wahrnehmung der Gefühle funktioniert nicht mehr. Manchmal wird auch das Verhalten anders.
Je stärker ein ausserordentliches Ereignis auf ein Individuum wirkt, umso stärker werden auch die Reaktionen. Wird der traumatisierte Mensch mit den erlittenen Eindrücken nicht fertig, kann eine akute oder eine posttraumatische Belastungsstörung entstehen. Damit eine posttraumatische Belastungsstörung überhaupt entstehen kann, muss eine lebensbedrohliche Situation beobachtet oder erlebt worden sein.
Personen, die auf kein stabiles soziales Umfeld zurückgreifen können oder auch im beruflichen Alltag zu sehr unter Stress stehen, wie auch Personen die übermüdet in den Einsatz gehen, entwickeln eher eine posttraumatische Belastungsstörung. Ziel ist immer die Integration der Ereignisse in die Biographie jedes Einzelnen.
Nach traumatischen Erlebnissen können sich Traumastörungen entwickeln:
- akute Belastungsreaktion (8-48h nach Ereignis)
- akute Belastungsstörung (Einige Tage - ca. 4 Wochen nach Ereignis)
- Posttraumatische Belastungsstörung (ca. 6 Monate nach Ereignis)
Nach einer Traumatisierung können sich auch folgende Erkrankungen entwickeln:
- Depressionen
- Angststörungen
- Somatoforme Störungen (verschiedene körperliche Beschwerden, ohne eindeutige Ursache)
- Dissoziative Störungen
- Emotionale Instabilität
- Wiedererleben: aufdrängende, belastende Erinnerungen an das erlebte Trauma, Flashbacks, Alpträume
- Vermeidungssymptome: emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit der Umgebung und anderen Menschen gegenüber, aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Manchmal können wichtige Aspekte des traumatischen Erlebnisses nicht mehr (vollständig) erinnert werden
- Vegetative Übererregtheit: Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Wachsamkeit, übermäßige Schreckhaftigkeit
Quelle: https://bit.ly/3iayijv
Je früher eine Posttraumatische Belastungsstörung behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Aber auch lang zurückliegende Traumatisierungen lassen sich noch behandeln.
Bei der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung hat sich EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) besonders bewährt. Es gilt weltweit als die am besten wirksame Behandlung PTBS. Bei dieser Behandlung wird zuerst eine Sicherheit gebende und vertrauensvolle Beziehung geschaffen. Dann fordert der Therapeut den Patienten auf, sich an bestimmte Ereignisse zu erinnern und lässt ihn dabei schnelle Augenbewegungen nach links und rechts machen. Diese Augenbewegungen kommen typischerweise im REM-Schlaf (rapid eye movements) vor, in dem wir träumen und Erlebnisse bearbeiten. In der Therapie ist dadurch eine Nachbearbeitung des Traumas möglich und die damit verbundenen negativen Gefühle werden abgeschwächt. Neben den schnellen Augenbewegungen können auch andere bilaterale Stimulationen durchgeführt werden.
Auch Hypnose und eine Expositionstherapie in virtueller Realität können zur Anwendung kommen. Dabei können in einem Sicherheit gebenden Rahmen die Ereignisse erinnert, gleichzeitig kontrolliert und die Emotionen verändert werden.
Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Mindfulness Based Stress Reduction stellen ebenfalls einen wichtigen Teil der Therapie dar, da sie den vegetativen Erregungszustand reduzieren helfen und für einen besseren Schlaf sorgen.
Neben einer intensiven, traumaspezifischen Psychotherapie kommen bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen auch pharmakologische Behandlungen und Hirnstimulationstherapien zur Anwendung. Traditionell werden Antidepressiva eingesetzt, allerdings mit mässigem Erfolg.
Quelle: https://bit.ly/3iaA0RI
Stressgrenzen
Kurzzeitig können wir auch ohne Beeinträchtigung an die Belastungsgrenze gehen, dies hängt sehr mit unserer Tagesform zusammen. Überschreiten wir unsere Belastungsgrenzen permanent, ohne uns um den Stressabbau zu kümmern und gönnen wir unserem Körper keine Ruhephasen, so erkranken wir unweigerlich. Es ist deshalb wichtig, seine Grenzen zu kennen, sodass Einsätze, bei denen zusätzlich Einsatzstress / Ereignisstress hinzukommt, gut bewältigt werden können.
Im Voraus sollte sich jeder Helfer Gedanken über seine physische und psychische Verfassung machen. Wenn beispielsweise kürzlich jemand einen Angehörigen durch einen Verkehrsunfall verloren hat, macht es wenig Sinn an einen Unfall auszurücken.